Einlaß-, Auslaß- und Equilibrium-Ventil

Bei seinen ganz frühen Maschinen bis etwa 1778 hatte Watt nur zwei Ventile benutzt. Es gab kein Einlaß-Ventil, der im Kessel erzeugte Dampf drückte immer auf die Oberseite des Kolbens.

Ich habe mal die Beschreibung übersetzt, die John Farey in seinem Werk “A Treatise on the Steam Engine” 1827 veröffentlicht hat. James Watt war 8 Jahre zuvor verstorben. Für Farey’s Buch muß man Zeit mitbringen, es liest sich nicht gerade flott aber so ziemlich alle nachfolgenden Autoren führen ihn als Quelle an (es gab auch mal einen sehr bekannten deutschen Professor, der sich bei Farey bediente, sowohl was Bilder als auch was Texte anbelangte, ohne immer den Lesefluß durch Quellenangaben zu stören …).

Bild 1 und Bild 2 stammen aus dem Buch Farey’s. Bild 1 zeigt den erwähnten Typus mit 2 Ventilen. Bild 2 zeigt die 3-Ventilmaschine. Dazu schreibt Farey pg. 333 / 334 (Leicht gekürzt, Anmerkungen in [ ] von mir):

Die verbesserte Ausführung von Herrn Watts Maschine, 1778.

... Danach ordnete er [Watt] die Teile in einer neuen Weise an, bei der der Dampf nicht länger durch den Dampfmantel in den Zylinder geleitet wurde, sondern aus dem Dampfrohr durch ein Ventil direkt oben in den Zylinder gelangt. Zwar steht der Dampfmantel in Verbindung mit dem Kessel, aber dies dient nur dazu, die Wärme zu halten und jegliche Kondensation des Dampfes im Zylinder zu verhindern. ...

Der Zylinder E E mit dem Kolben J ist oben mit einem Deckel verschlossen, der mit dem oberen Flansch des Zylinders ... verschraubt ist. Der Dampf gelangt vom Kessel durch das Rohr a in den Zylinder ...; b ist das Drosselventil in diesem Rohr, c die Verbindung zum oberen Teil des Zylinders direkt unter dem Ventil. Der Dampf gelangt so unmittelbar in den oberen Teil des Zylinders und drückt auf den Kolben, solange wie das Ventil b geöffnet ist.

d ist das Dampfrohr, welches zum unteren Teil des Zylinders führt und diesen mit Dampf versorgt, wenn der Kolben steigt. e ist das Equilibrium-Ventil [Equilibrium = Gleichgewicht], welches je nach Bedarf diese Verbindung öffnet oder schließt. i ist das Auslass-Ventil, welches geöffnet wird, wenn das Equilibrium-Ventil e geschlossen ist. Dann strömt der Dampf durch das Abführrohr g in den Kondensator, welcher ähnlich wie schon vorher beschrieben konstruiert ist. Allerdings besitzt er ein Einspritzventil, mit dem ein Strahl kalten Wassers in den Kondensator gespritzt wird, um so den Dampf abzukühlen und ein Vakuum zu erzeugen.

Die Maschine arbeitet nun wie folgt: Der Kolben stehe am oberen Ende des Zylinders und alle Teile seien mit Dampf gefüllt, mit Ausnahme des Abführrohres g, des Kondensators und der Luftpumpe; das Equilibrium-Ventil e und das Auslass-Ventil i seien geschlossen. Wenn nun das Auslass-Ventil i geöffnet wird, wird der Dampf im unteren Teil des Zylinders, unterhalb des Kolbens J durch das Auslass-Ventil i in das leere Abführrohr und den Kondensator strömen. Durch den Strahl kalten Wassers wird dieser Dampf kondensieren, sodaß das bestehende Vakuum erhalten bleibt trotz des frisch eingeströmten Dampfes. Dadurch entweicht der Dampf aus dem Zylinder. Nur noch eine Restmenge verbleibt, die keinen Gegendruck zum Dampf oberhalb des Kolbens mehr aufbringen kann, welcher den Kolben kontinuierlich abwärts drückt.

Der Kolben wird also derart in Bewegung versetzt. Er beginnt seinen Arbeitstakt, wenn der Dampf aus dem Zylinder ausströmt und bewegt sich weiter abwärts. Kurz bevor er den Boden des Zylinders erreicht, wird das Auslass-Ventil geschlossen und die Steuerung öffnet das Equilibrium-Ventil e. Nun kann der Dampf aus dem oberen Teil des Zylinders durch das Rohr d und f zum unteren Teil des Zylinders strömen, wie es durch die Pfeile skizziert ist. Dieser Dampf drückt nun den Kolben aufwärts mit der gleichen Spannkraft wie der Dampf vom Kessel den Kolben auf der Oberseite abwärts drückt; es gibt nun eine Verbindung zwischen c, d, e, and f, zwischen dem oberen und dem unteren Teil des Zylinders, wodurch der Kolben sich im Gleichgewicht befindet. Durch das Gegengewicht [Pumpe] wird er nach oben gezogen, bis er das obere Ende des Zylinders erreicht hat. Der Takt endet nun, dazu wird das Equilibrium-Ventil e geschlossen und das Auslass-Ventil i erneut geöffnet. Nun beginnt der nächste Arbeitstakt.

Soweit Farey im Jahre 1827.

Steuerung

Dickinson und Jenkins zitieren Watt in ihrem Standardwerk 1927:

I find it will be best to have two Y-shafts and two loggerheads [i.e. tumbling bobs], that is one to each regulator.

Das Zitat findet sich wohl im Zusammenhang mit der Wheal Busy Maschine, vermutlich 1777, die Anmerkung in [] findet sich so in der Quelle. Frei übersetzt sagt Watt also: “Ich halte es für das beste, zwei Y-Wellen und zwei Loggerheads zu habe, also jeweils einen für jedes Ventil.”

Sie fassen dann zusammen (meine Übersetzung):

Diese Art der Steuerung, wir haben sie “Wiper Gear” (Wischer / Nocken Steuerung) genannt, wurde einige Jahre genutzt. 1783 gab es dann eine neue Anordnung, bei der die Verbindung zwischen den Spindeln und den Ventilen durch Stangen und Hebel hergestellt wurde. Diese haben wir “Linkage Gear” (Gestänge Steuerung) genannt; sie wurde, sowohl für die Maschinen mit rotierender Bewegung als auch für die Pumpmaschinen, bis nach 1800 verwandt;

Das bedeutet natürlich, dass die Smethwick Engine ursprünglich ein “Wiper gear” hatte. Eine Maschine mit einer solchen Steuerung gibt es heute nicht mehr. Bei der Lap Engine (Science Museum London) und der schönen Kopie im “Deutschen Museum München” (diese kann man in Bewegung sehen) wurde das “linkage gear” verwandt. Für den Modellbauer ist also Dickinson die einzige verfügbare Quelle.

Die älteste existierende Zeichnung ist die für Peter Colevile’s Maschine und datiert von Ende 1776. Die Maschine selbst wurde frühestens Anfang 1778 in Betrieb genommen. Bild 3 zeigt die Zeichnung. Die Beschreibung aus “James Watt and the Steam Engine”, pg. 179-181 habe ich mal ins Deutsche übertragen. Wer lieber das englische Original lesen möchte, findet dies in der englischen Version dieses Textes.

The Wiper Gear - Die Wischer/Nocken Steuerung

… Die früheste noch vorhandene Zeichnung der Nocken-Steuerung ist die für Colevile’s Maschine, eine Maschine mit oben offenem Zylinder und nur zwei Ventilen; sie ist in Tafel XLVIII wiedergegeben. Der obere Teile des Mechanismus ist für das Equilibrium-Ventil, der untere, schattiert, ist für Auslaß- und Injektions-Ventil. Der obere Teil besteht aus einer Achse [arbor] mit einem “Loggerhead” oder “Tumbling Bob” J, einem abgewinkelten [bent bogenförmigen] Greifarm K und einem Horn oder bogenförmigen Nocken L, der auf der oberen Oberfläche eines geraden Arms aufsetzt, der auf der Ventil-Spindel festgesetzt ist.

Der untere Teil hat eine ähnliche Achse [arbor], einen Greifarm, einen bogenförmigen Nocken sowie ausserdem eine Sperrklinke, die mit einer gelagerten Arretierung im Eingriff steht. Diese wird vom tail N bereitgestellt, welche sich im Pfad eines Dübels am plug-tree befindet. An der Sperrklinke greift auch die Stange H an, an der ein Gewicht hängt; der Nocken gleitet auf der Unterseite eines geraden Arms auf der Auslaßventil-Spindel.

Die Teile sind in dicken Linien in der Position gezeigt, in der der Kolben am unteren Totpunkt steht. Dabei ist das Equilibrium-Ventil geöffnet und Auslaß- sowie Injektions-Ventil geschlossen. Das Auslaß-Ventil befindet sich auf der gleichen Seite der Spindel wie der Arm, das Equilibrium-Ventil ist auf der Gegenseite seiner Spindel. Wenn der Kolben und damit der plug-tree sich nach oben bewegt und sich dem oberen Totpunkt nähert, berührt ein Dübel des plug-tree den Schwanz N des Mitnehmers und löst die Sperre. Das Gewicht an der Stange H dreht die Achse, der Nocken hebt den Arm an der Ventil-Spindel und öffnet das Auslaß-Ventil. Mittels eines Seilzuges wird auch das Injektions-Ventil geöffnet. Die Teile befinden sich dann in der dünn skizzierten Position.

Beim Abwärtsgang des Kolbens berührt ein Zapfen am plug-tree den Greifarm, zunächst längs AB, dann entlang BG und bringt ihn wieder in die gezeichnete Stellung. Entsprechend bewegt sich auch der bogenförmige Nocken, wodurch das Injektions-Ventil geschlossen wird; der Arm am Auslaß-Ventil folgt dem Nocken und auch das Auslaß-Ventil schließt. Die Abwärtsbewegung des Greifarms hebt die Raste sowie die gewichtsbelastete Stange H. Die Sperre rastet ein.

D.h. das Auslaßventil, mit dem Druck im Zylinder von oben und dem Vakuum im Kondensator von unten, wird durch das Absinken eines Gewichtes geöffnet. Dieses Gewicht wird durch einen selbsttätige Arretierung solange gehalten, bis diese bei der Aufwärtsbewegung des plug-tree ausgelöst wird; das Ventil wird durch sein eigenes Gewicht und das des Arms auf der Ventilspindel bei der Abwärtsbewegung des plug-tree wieder geschlossen. Zur gleichen Zeit wird das Gewicht angehoben und die Raste eingehakt …

Kommen wir nun zum Equilibrium-Ventil. Es sei der Kolben in der Abwärtsbewegung, das Ventil geschlossen, das Überfall-Gewicht J, der Nocken L und der Greifarm angehoben. Kommt nun der plug-tree zum unteren Totpunkt so berührt ein Zapfen den Greifarm und dreht die Achse bis das Überfallgewicht die Vertikale überstrichen hat. Dieses fällt nun und zusammen mit dem Gewicht des Arms und des Nockens wird das Ventil geöffnet.