1794: John Jacob Holtzapffel fertigt genaue Gewindebohrer und Schneideisen

Wieder einmal ist es nicht möglich, dieses Ereignis sicher zu datieren. Charles Holtzapffel, der Sohn von John Jacob H. schrieb 1:

Between the years 1794 - 1800, the authors’s father made a few varieties of taps, dies, hobs and screw tools, after the modes explained at pages 635 and 636 …

Zwischen 1794 und 1800 fertigte mein Vater nach den Schritten, die auf S. 635 f. erläutert sind, eine Reihe von Gewindebohrern, Schneideisen, Fräsern und anderen Schraubenwerkzeugen an …

Die Schritte, die Charles H. hier anspricht, bedeuten letztlich, dass man bei der Anfertigung von Gewinden trotz aller Schwierigkeiten der Handarbeit über eine Reihe von Fertigungsschritten hinweg zu einem letztlich relativ genauen Endergebnis kommen kann.

Es ist leicht denkbar, daß andere Handwerker der Zeit ähnlich gearbeitet haben. Holtzapffel hat das Vorgehen allerdings (später) beschrieben. Da die grundsätzliche Vorgehensweise von so grosser Bedeutung ist, scheint es gerechtfertigt, die Beschreibung hier wieder zu geben.

John Jacob H. hatte sich aus Straßburg stammend in London niedergelassen. Er bzw. seine Nachkommen stellten bis 1928 Drehmaschinen v.a. für ornamentales Drehen her. Bei dem Buch Holtzapffel’s handelt es sich um ein umfangreiches Werk in sechs Bänden.

In seiner Dissertation hat Volker Benad-Wagenhoff die Vorgehensweise von Holtzapffel wiedergegeben 2. Er bezieht sich auf S. 635 f. in 1:

  • Das Urgewinde (0), ein Stahlbolzen, wurde mit der Feile oder mit dem Strehler auf der Drehbank erzeugt. Es wies viele Unzulänglichkeiten auf: Abweichungen der Ganghöhe, der Gangform, unregelmäßige Flanken.
  • Dieses Urgewinde (0) versah man mit Schneidkanten, härtete es und schnitt mit ihm ein Innengewinde (1), das wegen der Überlagerung der Gänge zwar gleichmäßigere Steigung, aber auch ein welliges, unregelmäßiges Flankenprofil hatte.
  • Mit der Kopie (1) als Schneideisen wurde ein Außengewinde (2a) geschnitten, das ungefähr die gleichen Abweichungen hatte, aber im Gegensatz zum Innengewinde (1) auf der Drehbank korrigiert werden konnte.
  • Mit verschiedenen, zunehmend spitzeren Gewindemeißeln verbesserte man auf der Handdrehbank die Flankenform von (2a). Die Werkzeuge führten sich dabei selbst im schon vorhandenen, in seiner Steigung bereits sehr gleichmäßigen Gang. Das korrigierte Außengewinde (2b) bildete den Ausgangspunkt (“master tap”) für den gesamten Werkzeugsatz.
  • Einerseits wurde ein Gewindeschneider (3) gebohrt, der dann noch etwas präziser war als (2b) und als Werkzeug für den Gewindebohrer (4) diente. Beide wurden als Satzwerkzeuge in der Werkstatt benutzt.
  • Andererseits spannte man das korrigierte Außengewinde (2b) als Fräser ins Drehbankfutter und fräste damit Gewindestrehler (3’).
  • Mit diesen Drehwerkzeugen (3’) stellte man Musterbohrer (4’) her, die zwar gleiche Ganghöhe, aber anderen Durchmesser als (3) und (4) hatten.
  • Mit (4’) schnitt man Backen (5’) für den Werkstattsatz, mit diesen wiederum die zugehörigen Gewindebohrer (6’).
  • Für Werkzeuge abweichender Ganghöhe wurden die Strehler (3’) durch Schmieden gereckt oder gestaucht, mit der Dreikantfeile korrigiert und gehärtet. Diese Werkzeuge (3”) benutzte man zum Drehen von Musterbohrern (4”), mit denen man Schneideisen (5”) herstellte. Mit (5”) schnitt man Bohrer (6”) und benutzte beide gemeinsam in der Werkstatt.

0 ist also ein Gewindebohrer. Damit wird 1 hergestellt, ein Schneideisen. Mit diesem wird nun wieder ein Aussengewinde 2a hergestellt. Dessen Flankenform wird auf der Handdrehbank verbessert. Nach dem Härten erhält man den Gewindebohrer 2b, den »master tap«. Damit wird ein Schneideisen 3 hergestellt, mit dessen Hilfe der Gewindebohrer 4 erzeugt wird. 3 und 4 werden für die normale Werkstattarbeit genutzt.

Damit ist auch klar, dass die oft wiederholte Aussage, Bolzen und Muttern aus dieser Zeit seien immer nur als Paar nutzbar gewesen nicht ganz richtig ist. Mit 3 und 4 hergestellte Aussen- und Innengewinde waren sicherlich austauschbar. Aber das galt zum einen nur innerhalb dieser einen Werkstatt, zum anderen sicherlich nur, solange die Werkzeuge noch nicht zu stark abgenutzt waren.

Holtzapffel macht auch deutlich, dass ihm die Genauigkeit der Befestigungsschrauben nicht so wichtig ist. Anders sieht es bei Bewegungsschrauben aus, wie sie z.B. als Leitspindel von elementarer Bedeutung für Werkzeugmaschinen sind. Holtzapffel verweist dazu auf Henry Maudslay.

1794: John Wilkinson erhält ein Patent auf den Kupolofen

Abraham Darby II hatte schon 1735 den ersten mit Koks befeuerten Hochofen gebaut [vergl. 1735: Abraham Darby II baut den ersten Kokshochofen]. Obwohl diese Erfindung das Problem des Raubbaus an den Wälder durch die Gewinnung von Holzkohle löste, setzte sich der Koks-Hochofen nur langsam durch. Es war eben nicht leicht, mit dem neuen Brennstoff Erfahrungen zu sammeln.

Im Hochofen musste das Roheisen stets zu Produkten vergossen werden. 1794 erhielt John Wilkinson, vergl. [1775: John Wilkinson baut eine neue Zylinderbohrmaschine] sowie [1783: John Wilkinson nimmt eine Watt’sche Maschine für einen Schmiedehammer in Betrieb], ein Patent auf einen reinen Schmelzofen 3. In diesem, der nur für die Verflüssigung von Roheisen gebaut war, konnte genau die Menge erschmolzen werden, die für die zu fertigenden Teile benötigt wurde. Die chemische Zusammensetzung des Materials wurde bei dem Prozeß nicht mehr verändert. Es kamen sog. Masseln zum Einsatz, das sind Barren aus Gußeisen, die nun am Hochofen in Rinnen gegossen wurden. Ausserdem wurde es nun möglich, vielerlei Abfall (z.B. Speiser des Gießprozesses oder auch Gußschrott) einzuschmelzen und zu nutzen.

Der neue Ofen wurde als »cupola furnace«, im Deutschen Kupolofen, bekannt. Diese Erfindung verbreitete sich rasch auch ins Ruhrgebiet. Lt. Karl-Heinz Caspers nutzte man auf der St. Antony Hütte im heutigen Oberhausen [vergl. 1758: Die St. Antony Hütte - Wiege der Ruhrindustrie] ab spätestens 1800 Kupolöfen 4.

Kupolofen{#fig:1794-1 width=14cm}

Stand: 11.5.2018