1838: Krupp macht eine Bildungsreise

Nach einem Aufenthalt in Frankreich reiste Krupp nach England. Er blieb dort viele Monate. Seinen Gesprächspartnern stellte er sich als Alfred Schropp vor 1.

In Paris besuchte Krupp alle Kunden, die bei der Gußstahlfabrik Walzen gekauft hatten. Walzen waren zum wichtigsten Produkt der Firma geworden. Der in Essen erzeugte Tiegelstahl ließ sich »tief« härten. Dadurch waren daraus hergestellte Walzen besonders belastbar und langlebig.

Allerdings gab es nennenswert Ausschuß bei der Produktion und auch viele Reklamationen von Kunden. Krupp war davon überzeugt, daß der Grund für die Fehler schon im Ausgangsmaterial (dem Schmiedeeisen) zu suchen sei. Er wollte daher versuchen, in England Eisen zu kaufen. Auch war bekannt, daß die in England genutzten Tiegel besonders langlebig waren. So versuchte er, sowohl Stourbridge-Ton als auch fertige Tiegel zu kaufen.

Letztlich kam es zu keinen wirklichen Erkenntnissen. Allerdings fand man in den Folgejahren in Essen, daß der für die Tiegelherstellung benutzte Graphit gelegentlich mit Schwefel verunreinigt war. Ab 1846 wurde dieser Störfaktor durch Ausglühen beseitigt. Dabei ist zu bedenken, daß den Hüttenleute jener Zeit so gut wie keine Analyseverfahren zur Verfügung standen. Sie mußten z.B. das Verhalten der Schmelze, die Gerüche, die Konsistenz der Schlacke und des Materials auswerten - nicht anders, als Huntsman [1742: Der Engländer Benjamin Huntsman stellt erstmalig Tiegelstahl (Crucible Steel) her] rund 100 Jahre zuvor.

Heute weiß man, daß die Tiefenhärtung des bei Krupp erzeugten Tiegelstahls eine Folge des doppelt so hohen Siliziumanteils war (verglichen mit dem englischen Original) 2.

1838: Auf der Newa in Sankt Petersburg legt ein Boot mit einem Jacobi-Gleichstrommotor 7,5 km zurück

Moritz Hermann von Jacobi war ein deutsch-russischer Physiker und Ingenieur. 1834 baute er einen ersten Gleichstrommotor, siehe Bild @fig:1838-1. Am 13. September 1838 fuhr er mit einem Boot auf der Newa, welches von einem Gleichstrommotor angetrieben wurde. Es befanden sich 14 Passagiere an Bord. Jacobi’s Motor war somit einer der ersten praktisch eingesetzten Gleichstrommotoren 3.

Elektromotor nach Jacobi{#fig:1838-1}

1838: Samuel Hall erhält ein Patent auf den Oberflächenkondensator

Frischwasser für den Watt’schen Einspritzkondensator war an Land selten ein Problem. Auf See sah das anders aus. Hier blieb letztlich nicht anderes übrig, als Salzwasser zu verwenden. Schnelle Korrosion und Kesselsteinbildung waren die Folge. Es mußten Reservekessel vorgesehen werden, um die nötige Reinigung auch während der Fahrt vornehmen zu können.

Der geschlossene Wasserkreislauf eines Oberflächenkondensators versprach Abhilfe. Samuel Hall erhielt 1838 ein Patent darauf. Die erste praktische Erprobung fand auf einem Flußdampfer statt, mußte aber schon 1841 abgebrochen werden, weil die Rohre verschlammten 4. Nach diesem Mißerfolg ließen weitere Versuche und Verbesserungen auf sich warten. Erst ab 1860 setzte sich der Oberflächenkondensator durch, siehe Bild @fig:1838-2 5. Hatte Isambard Kingdom Brunel in seinen bemerkenswerten Schiffen Great Western, Great Britain und dann Great Eastern Dampfdrücke von 0,34, 1 bzw. 1,7 bar gehabt (mit Einspritzkondensation) so wurde Ende des 19. Jahrhunderts 17 bar (mit Oberflächenkondensator und Mehrfachkondensation) üblich.

Darstellung Oberflächenkondensator 1875{#fig:1838-2}

1838: Tonerde, Kartoffeln und der Kesselstein

1838 verfasste der Herr Regierungssecretär Aldefeld in Aachen einen Beitrag für das Polytechnische Journal, in dem er sich mit dem Einsatz von Tonerde zur Verhütung von Kesselstein befasste 6.

Im Jahr zuvor hatte das Journal über gute Erfahrungen berichtet, die man in Frankreich mit Tonerde gemacht habe 7. Aldefeld nahm darauf Bezug und schrieb:

Einer meiner Freunde, dessen Dampfmaschine nur am Tage in Thätigkeit ist, ließ von einem Handlungshause in Köln den gepriesenen Thon kommen, wofür er pro 100 Pfd. 10 Sgr. (36 kr.) zahlen mußte, um dessen Wirkung praktisch zu prüfen. Nachdem dieser Thon gesiebt und geschlemmt war, wurden 6 Pfd. desselben in den vorher gereinigten Dampfkessel gegeben. Nach einiger Zeit bemerkte man, daß die Ventile mit einem schleimartigen Ueberzuge bedekt waren, der sich nach und nach vermehrte, so daß man nach Verlauf von zwei Monaten besorgt wurde und den Kessel öffnete. Nach dem Ablassen des Wassers fand man in der That keinen Pfannenstein in dem Kessel, sondern nur eine unbedeutende Menge Schlamm; allein mehrere Maschinentheile bedurften einer sonst nicht erforderlichen Reinigung, indem der Dampf Thontheilchen mechanisch mit fortgerissen hatte. Man war sehr zufrieden mit diesem Resultate und versah den Kessel wiederum mit einer Partie geschlemmter und in vielem Wasser zerrührter Thonerde, worauf man die Maschine in Gang brachte. Kurze Zeit darauf bemerkte man, daß die Dampfmaschine nicht die gewohnten Dienste leistete und erkannte bald, daß die Ursache im Cylinder zu suchen sey, der daher sofort geöffnet wurde. Die Liederung des Kolbens war voll Thonerde, der umgewikelte Hanf ganz durchgerieben, die ursprüngliche Glätte des Cylinders verschwunden und derselbe voller fühlbarer Krazen, doch mehr im unteren, weniger im oberen Theile.

Letztlich musste er festhalten:

Es scheint also, daß durch Schlemmen nicht alle Sand- und Talktheile entfernt wurden, welche vom Dampfe mechanisch bis in den Cylinder hinüber gerissen wurden und dort die nachtheiligen Wirkungen äußerten.

Aldefeld kam zu der Ansicht, dass ein »schleimiges« Speisewasser zu weniger Kesselstein führt und experimentierte weiter:

Um diese Ansicht zu prüfen, unternahm ich verschiedene Versuche mit schleimigen Mitteln: Weizenstärke, Roggenmehl, Kartoffelmehl, arabischem Gummi, Altheewurzel, thierischem Leim.

Sein Fazit lautete:

Hienach wäre also der Gebrauch der Thonerde in solchen Dampfkesseln, welche zu Dampfmaschinen gehören, als lezteren nachtheilig, zu verwerfen, da bei aller Vorsicht der Thon mittelst des Schlemmens nicht wohl von allem Sande befreit werden kann, und man wird die Anwendung der Kartoffeln einstweilen, bis zur Auffindung eines wohlfeileren Mittels, als ziemlich wirksam und durchaus nicht nachtheilig, beibehalten müssen, obgleich die öftere Reinigung des Kessels (gewöhnlich alle 14 Tage) nicht umgangen werden kann.

Heute nennt man das grundsätzliche Verfahren »Innere Speisewasseraufbereitung«. Es werden andere Chemikalien, zusätzlich aber auch ein Holzextrakt benutzt 8. Die Härtebildner des Wassers sollen gezielt als fließfähiger Schlamm im Kessel abgeschieden werden - so verkehrt lag Herr Aldefeld also wohl nicht.

Ich habe seinen Bericht herausgegriffen, weil Herr Aldefeld eine schöne Versuchsreihe beschrieben hat. Das Problem als solches hatten schon viele mit ganz unterschiedlichen Mitteln und Ansätzen versucht zu lösen.

Die Ausmaße des Problems werden z.B. in einem Bericht eines österreichischen Eisenbahninspektors von 1863 deutlich 9. Dort hatte man 12 Lokomotiven mit »Apparaten zur Beseitigung des Kesselsteines« ausgerüstet und penibel Buch geführt. Im günstigsten Fall fiel 1 Pfund Kesselstein bei 50 Meilen Fahrtstrecke an, im ungünstigsten aber schon bei 5,6 Meilen. Meistens war 1 Pfund Kesselstein schon nach weniger als 15 Meilen zu verzeichnen.

Apparate wie der hier untersuchte wurden bei den Weltausstellungen 1862 und 1867 unter der Überschrift »Hydratmopurificatoren« behandelt 10. Folgt man Matschoss, so waren sie der Ausgangspunkt für weitere erfolgreiche Entwicklungen 11.

Im Gegensatz zur inneren Aufbereitung steht die «Äußere Speisewasseraufbereitung« 12, bei dem das Speisewasser vor dem Eintritt in den Kessel behandelt wird. Der Wikipedia-Artikel »Speisewasser« gibt eine lesenswerte Übersicht über den heutigen Stand der Technik.

Stand: 21.11.2018