1778: Preussische Beamte machen eine »Studienreise« zu Watt’s Maschinen
Der Kupferbergbau bei Hettstedt (heute Sachsen-Anhalt) litt unter dem Zustrom von Grubenwasser. Nachdem es nicht gelang, das Problem mit Hilfe von Entwässerungsstollen bzw. Wasserkünsten zu lösen, fragte man bei Boulton & Watt an. Im März 1778 bot James Watt dem Preussischem Berg- und Hüttendepartment an, seine Maschinen zu liefern. Er forderte ein Monopol mit 14 Jahren Laufzeit 1.
Dies war nicht im Sinne Preussens. Ende April veranlasste der König, daß Jacob Sigismund Waitz Freiherr von Eschen, der Chef des Berg- u. Hüttenwesens Preussens, und sein Mitarbeiter Carl Friedrich Bückling (1756-1812) nach Birmingham reisten.
Diese »Studienreise« im direkten Auftrag des Königs war der kaum verschleierte Versuch, Industriespionage zu betreiben. Daher ist es auch wenig verwunderlich, daß gerade die älteren deutschen Autoren auf die peinlichen Details nicht weiter eingegangen sind. Ich stütze mich auf Wagenbreth bzw. Tann.
1779 versuchten die Beamten vergeblich, einen Mechaniker bei Boulton & Watt zu bestechen. Dann verschafften sie sich einen Empfehlungsbrief für Watt. Wagenbreth schreibt:
Er zeigte ihnen die Manufaktur in Soho, begleitete sie zu einer in Betrieb befindlichen Maschine in der Nähe des Birmingham-Kanals und lud sie anschließend zum Essen ein. Am anderen Morgen kehrten v. Eschen und Bückling allein nach Soho zurück und bestachen einen Arbeiter, der ihnen dann einige wichtige Dampfmaschinenteile im demontierten Zustand zeigte.
Es gibt einen Brief Matthew Boultons an Sir Joseph Banks, in dem er diesen Vorfall 1787 unter der Überschrift »A statement of facts about attempts at industrial espionage«, also »Tatsachen über die Versuche von Industriespionage«, schildert 2.
Nach der Rückkehr der beiden Beamten dürfte es kaum einen Zweifel gegeben haben, daß der Bau einer Dampfmaschine ein sehr gewagtes Unterfangen darstellte. Daher geschah zunächst einmal - nichts.
Aber die Entwässerung des Reviers wurde immer dringender. In einem Bericht aus 1782 heißt es:
Bey diesen Umständen bleibet nichts weiter übrig, als Euer Königl. Majestät pflichtmäßig die Vorrichtung der Feuer Kunst unterthänigst anzurathen und höchst dieselben zu bitten die Anstalten dazu beschleunig zu lassen.
Der Bergbauminister Heynitz hat dann wohl auch ohne Befehl des Königs Bückling beauftragt, ein Modell anzufertigen.
Im März 1783 war ein erstes Modell im Maßstab 1:6 fertig. Dieses lief zwar nur eingeschränkt, dennoch bewilligte der König im Juni die Mittel zur Errichtung der ersten deutschen Dampfmaschine. Die Beteiligten gingen mit großer Zuversicht ans Werk und setzten sich Weihnachten 1783 als Fertigstellungsdatum.
Es wäre besser gewesen, zunächst die Probleme beim Betrieb des Modells zu lösen, siehe [1785: Die erste deutsche Dampfmaschine in Hettstedt].
Stand 26.8.2018