1820: John Birkinshaw erhält ein Patent auf gewalzte Eisenbahnschienen aus Puddeleisen

Bis zu diesem Zeitpunkt waren Schienen oft aus Holz. Aus dem zähen Puddeleisen konnten nur einfache rechteckige Schienen gewalzt werden, die nur bei kleinen Loren mit geringer Spurbreite Verwendung fanden. Meist wurden Schienen aus Gußeisen gefertigt (höchstens 90cm lang). Großes Gewicht oder ein harter Stoß führte zum Bruch der Schiene. Das war schon Richard Trevithick’s Pen-y-Darren zum Verhängnis geworden.

Birkinshaw konstruierte und fertigte geeignet kalibrierte Walzen, das sind Walzen, die in ihrer Gesamtheit das gewünschte Profile ergeben (für bebilderte Beispiele siehe 1). Mit sechs Einstichen (damit ist ein Durchgang durch die Walzen gemeint) wurde eine Pilzkopfschiene (Länge ca. 4,50m) hergestellt 2. 1821 setzte sich George Stephenson massiv dafür ein, diese Schienen schon auf der geplanten Stockton and Darlington Railway zu verwenden 3.

Eisenbahnschienen 1835{#fig:1820-1}

Bild @fig:1820-1 zeigt Schienen aus dem Jahre 1835.

1820: Das Polytechnische Journal erscheint zum ersten Mal

Im April 1820 erschien erstmalig das »Polytechnische Journal«. Herausgeber war Johann Gottfried Dingler aus Augsburg, wo die Zeitschrift auch gedruckt wurde. Sie erschien in der renommierten Cotta’schen Verlagsbuchhandlung.

Das Journal gilt als die älteste unabhängige technische Zeitschrift Deutschlands. Dingler griff intensiv auf hauptsächlich englische und französische Zeitschriften zurück, die er ins Deutsche übersetzen ließ, redigierte und einordnete. Man spricht hier von einem Referateorgan 4.

Johann Gottfried Dingler entsprach vielleicht nicht dem heutigen Bild eines Technik- und Wissenschaftsjournalisten, sorgsam auf Distanz und Neutralität bedacht. 1827 nahm er eine Rezension zum Anlaß, sich über den Zustand Bayerns im Vergleich zu Preussen zu äussern. Es ging um das Buch »Praktische Anleitung zum Seidenbaue«. Dingler schrieb:

Wir haben immer gesagt, Preußen wird der erste Staat in Deutschland seyn, der vom Seidenbaue Nuzen ziehen wird, und unsere Vorhersagung scheint jezt schon in Erfüllung zu gehen: denn in Preußen hat die Regierung von jeher mehr auf Cultur des Bodens und der Köpfe, auf Förderung der mathematischen und naturhistorischen Wissenschaften gesehen, als in anderen Ländern nicht geschah, wo philosophischer Schnikschnak, theologischer Mysticismus, Fanatismus und Jesuitismus, und peristische Alfanzerei allein für Wissenschaft gelten und allein gefördert, Mathematik, Physik, Chemie, Botanik, Zoologie wo nicht unterdrükt, wenigstens doch nicht hinlänglich gefördert werden. Während der preußische Landmann die Muße, die die lezte Hälfte des Maien und des Junius bis zur Ernte ihnen gewährt, anfängt zur Wartung und Pflege der Seidenraupen zu benüzen, wallfahrtet der bayerische Bauer nach Alten-Oettingen etc., und freut sich oft dreier Feiertage in Einer Woche.

Ich finde solche freimütigen Äußerungen umso bemerkenswerter, als die meisten Leser des Journals aus dem Süden Deutschlands kamen. Wie Franz Fischer darlegt, zählten auch viele staatliche Stellen zu den Abonnenten 5.

Die Bandbreite der Themen war groß. Um einen Eindruck zu vermitteln hier die Artikelüberschriften 22-24 aus den Jahren 1830, 1840, 1850 und 1860:

  • 1830
    • Heard, Verbesserung in Erzeugung von Leuchtgas etc.
    • Pabst, über Kartoffelbrantweinbrennerei.
    • Barney’s, zu Nantucket, Massachus. Dreschmaschine.
  • 1840
    • Newton’s verbesserte Maschinen zum Bebauen von Akerland mit verschiedenen Samen.
    • Topham’s verbesserte Hähne für Wasserleitungsröhren etc.
    • Geithner’s verbesserte Rollvorhänge.
  • 1850
    • Newton’s Maschine zum Gießen von Lettern etc.
    • Mohr, über rohe Potasche und deren Prüfung auf ihren Gehalt.
    • Payen, über die Fabrication des chlorsauren Kalis.
  • 1860
    • Herland’s Vorrichtung zum Aus- und Einrücken durch Auflegen und Abwerfen des Treibriemens.
    • Blondel’s Kuppelung für Transmissionswellen.
    • Lamb’s Apparate zum Ueberhitzen des Wasserdampfes.

Zu Dinglers Prinzipien gehörte es

  • Neuigkeiten rasch zu publizieren
  • Abbildungen trotz hoher Kosten im Kupferstich erstellen zu lassen (um den Platz zu nutzen, sind die Tafeln stets randvoll)
  • Immer die Quellen zu benennen

Obwohl die Auflagenzahlen nach heutigen Begriffen niedrig erscheinen (in der Spitze 3000 Exemplare) war das Journal nach den Maßstäben der Zeit »ein außergewöhnlich erfolgreiches Publikationsorgan« wie Franz Fischer schrieb 6. Dazu mag der Aufwand beigetragen haben, der für die Erstellungen von Skizzen, Zeichnungen und Abbildungen getrieben wurde, als ein Beispiel siehe Bild @fig:1820-2.

Dingler'sches Journal von 1877, Band 225 (S. 330–332): Theilvorrichtung {#fig:1820-2}

Letztlich wurde das Journal erst 1931 eingestellt - nach einer Laufzeit von 111 Jahren!

Für den Interessierten ist »Dingler’s Polytechnisches Journal« heute eine wunderbar erschlossene und leicht verfügbare Quelle. Das Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin hat im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft die in Fraktur gesetzten Texte digitalisiert und frei verfügbar gemacht:

Retrodigitalisierung des Polytechnischen Journals

Stand: 13.9.2018


  1. Lueger, 1907, S.286 f. bei zeno.org 

  2. Paulinyi, 1989, S. 134 f. 

  3. Rolt, 1978, S 73 f. 

  4. Franz Fischer: Dinglers Polytechnisches Journal bis zum Tode seines Begründers (1820-1855). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens (AGB). 15, 2007, S. 1042. Online Verfügbar. Abgerufen 30.5.2017 

  5. a.a.O. S. 1130 und 1134 

  6. a.a.O. S. 1134