1845: Zwei (fast) identische Schiffe der britischen Navy werden zum Tauziehen benutzt: Schaufelrad contra Propeller

Obwohl die Vorzüge des Propellerantriebes gerade für ein Kriegsschiff auf der Hand lagen (unempfindlicher bei Beschuß, mehr Geschütze in der Breitseite), zögerte die britische Admiralität. Brunel hatte 1840 mit der »Great Britain« das erste Schiff aus Eisen mit Propellerantrieb entworfen. Stapellauf war 1843. Aber die Admiralität wollte sichergehen und ließ zwei bis auf den Antrieb identische Schiffe bauen. HMS Rattler bekam den Propeller und war damit das erste Kriegsschiff der Welt mit einem solchen Antrieb.

H.M. Dampf Schaluppen »Rattler« und »Alecto« ziehen über den Achtersteven{#fig:1845-1 width=14cm}

Beim spektakulären Tauziehen im März 1845 schleppte HMS Rattler das Schwesterschiff Alecto mit 2 Knoten über den Achtersteven ab, siehe Bild @fig:1845-1. Es gab eine ganze Reihe von Versuchen, bei denen verschiedene Propellertypen getestet wurden 1.

1845: Die Inbetriebnahme der Pumpmaschine Leeghwater im Haarlemmermeer beginnt

Haarlemmermeer, heute eine Gemeinde in der niederländischen Provinz Nordholland, war bis 1852 genau das, was der Name sagt: Ein See. Nach 1500 aus ursprünglich 4 kleineren Seen durch schlechte Deiche und Torfabbau entstanden 2, bedrohte das Haarlemmermeer 1836 bei gleich zwei großen Stürmen Amsterdam und Leiden.

Es entstand der Plan, das Gebiet mit Maschinenkraft trocken zu legen. 1840 begann man, einen Ringkanal zu graben. Zu diesem Zeitpunkt hatte man noch nicht entschieden, ob die bewährten durch Windmühlen angetriebenen Pumpen oder die neue Dampfkraft eingesetzt werden sollte.

Eine dreiköpfige Kommission reiste nach Cornwall und besichtigte dort Pumpmaschinen, die Kupfer- und Zinngruben trocken hielten. Letztlich entschied man sich, die Dampfkraft einzusetzen.

Dies geschah in einer bis dahin nie dagewesenen Dimension. Es kamen einfach wirkende Zweifach-Compoundmaschinen nach der Bauart von James Sims [vergl. 1841: James Sims erhält ein Patent auf eine Zweifach-Expansionsmaschine mit übereinander angeordneten Zylindern] zum Einsatz. Der Niederdruckzylinder hat einen Bohrungsdurchmesser von 3660 mm. Die Maschinen werden heute als die größten ausgeführten Dampfmaschinen weltweit bezeichnet 3.

Die Maschinen sind in ihrer Funktionalität nicht leicht zu verstehen 4. Sie unterscheiden sich durchaus beträchtlich auch von dem, was damals Stand der Technik war. Die erwähnte Kommission hat in Cornwall zwar zuverlässige und durchaus auch leistungsstarke Maschinen mit recht hohem Wirkungsgrad gesehen - aber diese Maschinen förderten durch die Bank relativ geringe Mengen an Wasser aus großer Tiefe. Bei der geplanten Entwässerung ging es aber um das genaue Gegenteil: Es waren große Wassermengen über eine kleine Höhe zu heben.

Wie sehr alle Beteiligten sich am Rande dessen bewegten, was technisch machbar war, zeigt auch das Detail des ersten Gusses des ersten Niederdruckzylinders. Man hatte die eigentlichen Maschinen aus guten Grunde in Cornwall bei Harvey’s of Hayle beauftragt. Diese Firma hatte einen ganz hervorragenden Ruf, insbesondere im Bereich stationärer Pumpmaschinen. Bei Barton liest man dann 5:

Messrs. Harvey had considerable trouble with its manufacture and far exceeded their nine month’s contract. The 144” cylinder, produced in August 1843, took only six minutes in the final casting, using twenty-five tons of metal from three air furnaces, but unfortunately it was a wastrel (i.e. imperfect) and the process had to be repeated.

Der Bau der Maschine stellte Harvey vor eine Reihe von Problemen, so dass die zugesagte Lieferzeit von neun Monaten bei weitem überschritten wurde. Für den 144” Zylinder, hergestellt im August 1843, wurden beim letzten Guss in nur sechs Minuten 25 Tonnen Metall aus drei Freiluft-Schmelzöfen gegossen, jedoch war das Gußstück Ausschuss (also unvollkommen) und der Vorgang musste wiederholt werden.

Die Bauherren dürfte das durchaus betroffen gemacht haben. Vermutlich war auch der Guß der 11 (sic !) Balanciere (10 m lang) spannend, umso mehr, als dass man sich entschieden hatte, damit eine holländische Giesserei zu beauftragen, wo man vielleicht noch nicht so viel Erfahrung mit großen Gußteilen gemacht hatte, die dann auch über viele Jahre bzgl. ihrer Biegewechselfestigkeit beansprucht wurden.

Als dann im September 1845 die Inbetriebnahme begann, waren die Beteiligten sicherlich in höchstem Maße angespannt. Matschoss zitiert aus einer ungenannten Quelle 6:

Sobald die Maschine fertig aufgestellt war, ging es an die ersten Versuche. Es war ein peinlicher aber erhabener Moment, als der zum ersten Male in Bewegung gesetzte Koloß seine Arbeit begann, freilich in noch unvollständiger Art; was bisher nur in der Idee des Menschen gelegen, sah man nun verwirklicht. Diese plötzlich belebte Masse bot unsern Blicken in ihrer prachtvollen Gesamtheit ein großartiges Schauspiel, das sich in majestätischer Weise entwickelte. Bisher war der Leeghwater nur ein Versuch gewesen, und nun sah man den Versuch gelungen. Die Kommission betrachtete mit unaussprechlichem Vergnügen die Frucht ihrer gewagten Arbeit.

Verschiedene Nachbesserungen waren nötig, statt geplanter 10 Hübe pro Minute betrieb man die Maschine mit etwa 6 bis 7 Hüben. Es wurden zwei weitere Schöpfwerke mit der gleichen Technik errichtet. Eines ist als Technikdenkmal erhalten: De Cruquius 3, siehe Bild @fig:1845-2.

Luftaufnahme De Cruquius{#fig:1845-2 width=14cm}

Von 1849 - 1852 arbeiteten die Maschinen. Dann war das Haarlemmermeer trockengelegt und man konnte mit der Besiedelung und Urbarmachung beginnen.

1845: William McNaught erhält ein Patent auf seine »Compound Beam Engine«

William McNaught (1813-1881) erhielt 1845 das britische Patent No. 11001 für seine Idee einer Compound-Maschine. Dabei bekam eine herkömmliche Balancier-Maschine zusätzlich zum vorhandenen Niederdruck-Zylinder einen neuen Hochdruck-Zylinder, siehe Bild @fig:1845-3 7.

McNaughts Maschine nach Matschoss{#fig:1845-3 width=14cm}

In seinem Patent schrieb McNaught 8:

the effect of increasing the power of the engine, of lessening the consumption of fuel in proportion to the power produced, and by working the steam expansively in the low-pressure cylinder a further saving of steam may be effected, and consequently a proportional saving of fuel.

die Leistung der Maschine wird gesteigert, der Verbrauch an Brennstoff wird relativ sinken, ausserdem ist bei Verwendung der Expansion des Dampfes im Niederdruck-Zylinder eine weitere Senkung des Dampfverbrauchs zu erwarten, mithin wird entsprechend weniger Brennstoff gebraucht.

McNaught hatte Erfolg mit seiner Idee, es wurden zahlreiche Maschinen umgebaut. Man sprach von »compounding an engine« oder sogar von »the engine has been mcnaughted«. Insbesondere in Spinnereien war der Umbau eine kostengünstige Lösung, um aus der Betriebsmaschine mehr Leistung zu holen.

Bei Rigg finden sich zwei Tafeln einer »mcnaughteten« Maschine 9 10. Er macht einige Angaben: Der Dampfdruck im Niederdruck-Zylinder betrug 3,4 - 4,1 bar. Der Kondensator hatte ein Volumen von 1/3 des Zylinders. Die Kompoundierung dieser Maschinen fand einige Jahre nach der Inbetriebnahme statt. Dazu wurden zwei Zylinder zwischen dem Ende und der Mitte des Balanciers aufgestellt. Zylinderbohrung war ca. 90 cm, der Hub gut 1 m. Das Zylindervolumen betrug etwa 40 % des Niederdruck-Zylinders. Im Hochdruck-Zylinder wurde Expansion genutzt. Das nötige Expansions-Ventil wurde durch einen Drehzahlregler gesteuert.

Diese Vorgehensweise McNaught’s verringerte lt. Rigg die Belastung der Maschine beträchtlich. Er führte dazu Zahlen an, wobei aus dem Zusammenhang nicht klar wird, ob es sich hier um berechnete oder gemessene Werte handelt. Vor dem Umbau gab er für den Druck auf die Mitte des Balanciers 85.408 lbs an, danach nur noch 656. Für den Druck auf den Kurbelzapfen nennt er vorher 42.704 lbs, nachher 40.893 lbs. 85.408 lbs sind ca. 39 t, 42.704 lbs knapp 20 t. Das sind m.E. erhebliche Werte.

Es scheint unstrittig, dass der Umbau zu einer gleichförmiger laufenden Maschine geführt hat, dass also, obwohl die beiden Zylinder synchron zueinander liefen, der Verlauf des Drehmomentes im Abtrieb weniger stoßweise war. Lt. Hills wurde dieser Vorteil recht schnell erkannt. Ein anderer Vorteil jedoch, nämlich günstigere thermodynamische Verhältnisse, trat erst bei höheren Dampfdrücken ab ca. 60 psi (4,1 bar) auf und wurde nicht klar gesehen.

Ewing schrieb, dass eine Verbundmaschine bei gleichem Dampfdruck und gleichem Expansionsgrad einer einfachen Maschine thermodynamisch überlegen ist, weil weniger Wärme aus dem Dampf an die Maschine übergeht und so die Expansion besser der Idealvorstellung einer adiabatischen Zustandsänderung folgt 11. Verbundkonstruktionen wie die McNaught’s wurden bis zu einem Dampfdruck von 100 psi (6,9 bar) als sinnvoll angesehen 12.

Stand: 28.7.2018


  1. Rolt, 1974, S. 88 ff.

  2. Wikipedia: Haarlemmermeer Abgerufen 28.7.2018 

  3. Webseite des Haarlemmermeermuseums De Cruquius Abgerufen 28.7.2018  2

  4. Die Funktionsweise wird vielleicht in dieser Broschüre verständlich: Haarlemmermeer Cruquius Abgerufen 28.7.2018 

  5. Barton, 1969, S. 265 

  6. Matschoss, 1908, Band 1, S. 522 

  7. Matschoss, a.a.O. S. 447 

  8. Hills, 1989, S. 157 ff. 

  9. Rigg, 1878, S. 291 f. 

  10. Obwohl einige umgebaute Balanciermaschinen erhalten sind, gibt es kaum aussagefähige Bilder davon - und schon gar keine, die ich hier wiedergeben dürfte. In Australien existiert die angeblich älteste McNaught Balanciermaschine in Hobart. Als Baujahr wird 1854 angegeben Engineers Australia. Abgerufen 30.10.2018 

  11. Eine adiabatische Zustandsänderung ist in unserem Kontext die Volumenveranderung im Zylinder beim Bewegen des Kolbens und gleichzeitiger Änderung des Dampfdrucks, ohne dass Wärme an Zylinder und Kolben abgegeben oder von ihnen aufgenommen wird. Adiabat stammt aus dem Griechischen und bedeutet »nicht hindurchgehen«. Es wird auch der Begriff »wärmedicht« dafür benutzt. Dies ist selbstverständlich eine idealisierte Vorstellung. 

  12. Ewing bezeichnet Triple-Expansion ab 160-180 psi (11-12,4 bar) als sinnvoll. Quadruple-Expansion solle man keinesfalls unter 200 psi (13,8 bar) anwenden. Ewing, 1884, S. 314 f.