1804: Die erste Lokomotive der Welt
Richard Trevithick hatte ab ca. 1797 mit Dampfmaschinen experimentiert, die sich von den damals bekannten stationären Maschinen deutlich unterschieden. Er nutzte höheren Dampfdruck und einen zylindrischen Kessel, siehe [1797: Richard Trevithick baut ein Modell einer ganz neuen Dampfmaschine] und [1801: Richard Trevithick probiert seine Straßenlokomotive aus - den Puffing Devil].
Nun kennt die Entstehungsgeschichte der Lokomotive gerade für die ersten Jahre wenig belastbare Fakten. Es gab große Rivalitäten, so dass die Quellen kritisch zu werten sind. Im Falle der ersten Lokomotive scheint es mittlerweile allerdings Konsens zu geben - vielleicht hat hier eine Wette geholfen.
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Trevithick hatte für die Penydarren Ironworks gearbeitet (in Merthyr Tydfil, Südwales). Bedingt durch Eisenerz-, Kohle- und Kalkstein-Vorkommen waren hier mehrere Hütten entstanden. Für einen der Hüttenbesitzer, Samuel Homfray, hatte Trevithick eine Lokomotive gebaut. Homfray wettete mit einem anderen Hüttenbesitzer, daß diese in der Lage sein werde, 10 Tonnen Eisen über die sog. Merthyr Tramroad (eine bestehende Förderstrecke von etwa 16 km) zu transportieren.
Am 21. Februar 1804 fand das Spektakel statt. Es gibt einen Brief von Samuel Homfray an Davies Gilbert, der zu diesem Zeitpunkt schon Mitglied der Royal Society war. Frei übersetzt heißt es in diesem Brief 1:
Gestern setzen wir unsere Fahrt mit der Maschine fort, wobei wir 10 Tonnen Eisen, 5 Waggons und 70 Männer zogen. Das sind etwa 9 Meilen, die wir in 4 Stunden und 5 Minuten zurücklegten, wobei wir allerdings einige Bäume fällen sowie einige große Felsbrocken wegräumen mußten. Die Maschine war bis zu 5 Meilen pro Stunde schnell. Nach dem Start wurde bis zur Ankunft kein Wasser in den Kessel gefüllt.
Homfray hatte 500 Guineas gewonnen - so liest man es bei Hulse. Anthony Burton jedoch, der eine Biographie Trevithick’s geschrieben hat, läßt dies offen 2. Er betont, dass die Lokomotive (später oft nach der Hütte Homfray’s Penydarren oder Pen-y-Darren genannt) für die Schienen der Merthyr Tramroad zu schwer war und eine ganze Reihe von Schienenbrüchen verursachte [vergl. 1820: John Birkinshaw erhält ein Patent auf gewalzte Eisenbahnschienen aus Puddeleisen]. Letztlich wurde die Maschine nicht mehr als Lokomotive, sondern als stationäre Maschine genutzt. Dies hatte Trevithick schon vorab vorgesehen.
Es gibt mindestens eine Replika dieser ersten Lokomotive der Technikgeschichte, siehe Bild @fig:1804-1. Im Internet finden sich auch Aufnahmen fahrender Replikas 3.
1804: Die erste Dampfmaschine Franz Dinnendahls geht auf Zeche Wohlgemuth in Betrieb
Franz Dinnendahl (1775 in Horst geboren, heute ein Stadtteil Essens) war Zimmermann. Er war bei der Errichtung der Maschine für Zeche Vollmond beteiligt und machte sich in der Folge selbstständig, siehe [1802, Die erste Wasserhaltungsmaschine des Ruhrgebiets geht auf Zeche Vollmond in Betrieb].
Die Zeche Wohlgemuth (heute erinnert nur noch der Straßenname Wohlgemuthweg in Essen-Kupferdreh an sie) wurde seit 1792 betrieben. Dinnendahl hatte 1798 eine Wasserkunst, also eine mechanisch betriebene Einrichtung zur Entwässerung, gebaut. 1802 erhielt er den Auftrag, zum gleichen Zweck eine »Feuermaschine« zu errichten.
Es handelte sich um eine atmosphärische Maschine mit einem 20 zölligen Zylinder (1 Zoll = 2,62 cm, also Zylinderdurchmesser etwa 0,5 m). Sie sollte Wasser aus einer Tiefe von 8 Lachtern (1 Lachter ca. 2 m) heben. Bei der Finanzierung gab es Probleme. Erst nachdem König Friedrich Wilhelm III. im November 1803 einen Vorschuß genehmigte, konnte der Bau fertiggestellt und die Maschine am 15. Juni 1804 in Betrieb gehen 4.
Man scheint zufrieden gewesen zu sein. Hedwig Behrens zitiert den Geschworenen Engelhardt, der am 15. Juni 1804 an die Oberbergamts-Deputation schrieb:
„die Feuer-Maschine auf der Zeche Wohlgemuth Heute fertig geworden, angelaßen ist, und mit dem besten Effect fortgeht; so daß der Meister Dienendahl nicht nur für seinen darauf verwandten Fleiß eine Preemiee verdiente, sondern ihm auch der dabey erlittene Schadenersatz welcher sich noch über 200 Rthlr. beläuft, von der Gewerkschaft erstattet werden möchte. Der Dienendahl hat zwaren schriftlich mit der Gewerkschaft Contrahirt, und sich Verbindlich gemacht, die Maschine für eine Summe von 2400 Reichsthaler fertig zu Bauen, aber auch die mündliche Versicherung von der Gewerkschaft erhalten, wann er die Maschine ihren Wünschen gemäß fertigbringe, und Schaden dabey haben solle, sie ihn völlig entschädigen wollten. Da nun die Maschine jetzt fertig und den Wünschen der Gewerken sowohl als des ganzen Publicii entspricht; So ist es auch mehr als billig, dass er Zu seiner Aufmunterung nicht nur eine Preemiee, sondern auch Schaden-Ersatz erhält.“
Dinnendahl selbst berichtete Jahre später 5:
Diese Maschine wurde in den Jahren 1801-1803 gebaut. Sie war nach altem Princip construirt, und ich hatte sie für die Summe von 2400 Rhtlr. clev. cour. incl. des Gebäudes accordirt. […] Diese Maschine ist übrigens vom Jahr 1803-1815, also circa 12 Jahre, im Gange gewesen, Die hölzernen Pumpen hielten 6-7 Jahre. Nachdem dieselben unbrauchbar geworden waren, wurden eiserne eingebracht, welche aber, weil die Zeche seit 1 1/2-3 Jahren außer Betrieb ist, nur 5-6 Jahre gebraucht worden sind. Indessen sind so wohl die Pumpensätze, als auch der Cylinder, so wie manche andere Theile der Maschine auch jetzt noch in einem brauchbaren Zustande.
Der Text enthält eine ganze Reihe von technischen Einzelheiten. Wir erfahren u.a., dass bei einem Hub von 5-6 Fuß und 17-18 Hüben pro Minute im Jahr mindestens 5000 Ringel Kohle verbraucht wurden ( 1 Fuß ca. 0,31 m, 1 Ringel gibt Behrens zu 75 kg an). Pro Hub wurden 7 1/3 Kubikfuß Wasser gehoben (gut 0,2 Kubikmeter). Es war also täglich gut eine Tonne Kohle nötig, um pro Minute ca. 3,7 Kubikmeter Wasser aus 16 m Tiefe zu heben!
Lt. Behrens hat Dinnendahl dies vermutlich 1817 geschrieben. Seine Angabe 1803 erfolgte wohl irrtümlich. In einer autobiografischen Notiz datierte Dinnendahl den Bau der Maschine für die Zeche Wohlgemuth noch einmal neu, nun auf 1801. Das folgende Zitat 6 macht vor allem aber deutlich, dass er wohl ein sehr selbstbewusster Mann war - und dass er viele Widerstände auf dem Weg zur ersten im Ruhrgebiet erdachten und erbauten Dampfmaschine hat überwinden müssen:
Im Jahre 1801 ehe die Stifter Essen und Werden noch mit den Preußischen Landen vereinigt waren, bauete ich den Gewerken der schon vorhin genannten Zeche W/ohlgemuth im Werdenschen die erste Feuer-Maschine nach altem Prinzip. Das ganze Personal am Märkischen Bergamte, besonders der Herr p. Crone, selbst fremde Bergleute, welche Dampf-Maschinen zu sehen Gelegenheit gehabt hatten, zweifelten daran, daß ich ein solches Werk zu Stande bringen würde. Einige schwuren gerade zu, daß es unmöglich sey, und andere prophezeiten mir, weil es mir als gemeinem Handwerker jetzt wohl ging, meinen Untergang, weil ich mich in Dinge einließ, die über meine Sphäre hinaus gingen. Freilich war es ein wichtiges Unternehmen, besonders, weil in der hiesigen Gegend nicht einmal ein Schmidt war, der im Stande gewesen wäre eine ordentliche Schraube zu machen, geschweige andere zur Maschine gehörige Schmiedetheile, als Steuerung, Cylinderstange, und Kessel Arbeit pp. hätte verfertigen können oder Bohren und Drechseln verstanden hätte. Schreiner- und Zimmermanns-Arbeiten verstand ich selbst; aber nun mußte ich auch Schmiede-Arbeiten machen, ohne sie jemals gelernt zu haben. Indessen schmiedete ich fast die ganze Maschine mit eigener Hand, selbst den Kessel, so daß ich 1 - 1 1/2 Jahr fast nichts anders, als Schmiede-Arbeiten verfertigte‚ und ersetzte also den Mangel an Arbeitern der Art selbst. Aber es fehlte auch an gut eingerichteten Blechhammern und geübten Blechschmieden in der hiesigen Gegend, weshalb die Platten zum ersten Kessel fast alle unganz und kaltbrüchig waren. Eben so unvollkommen waren diejenigen Stücke der Maschine, welche die Eisenhütte liefern mußte, als Cylinder, Dampfröhren, Schachtpumpen, Kolben und dglch:. Auch dieses Hinderniß wurde überwunden, indem ich es durch Mittheilung meiner Ideen und durch das eigene Raffiniren des Herrn Jacoby, Eigenthümer der Eisenhütte zu Starckrade‚ in der Gegend von Dinslacken bei Wesel, dahin brachte, daß diese Eisenhütte alle nöthige Stücke zu einer Maschine, Anfangs freilich unvollkommen, aber jetzt in der möglichsten Vollkommenheit liefert. Das Bohren der Cylinder setzte mir neue Hindernisse entgegen; allein auch dadurch ließ ich mich nicht abschrecken, sondern verfertigte mir auch eine Bohr-Maschine ohne jemals eine solche gesehen zu haben. So brachte ich es also nach unsäglichen Hindernissen, die vielleicht manchen Andern an meiner Stelle abgeschreckt haben würden, endlich so weit, daß die erste Maschine, nach altem Prinzip, fertig wurde. Der Herr p. Crone hatte mir früher erzählt, daß der Herr Berghauptmann Bückling, obgleich er 2 Jahre in England gewesen wäre, seine erste Maschine dennoch nicht in Gang zu bringen im Stande gewesen wäre, sondern erst wieder nach England zurück kehren und einen gewissen Richscherd hätte holen müssen, von dem sie eigentlich in Gang gebracht worden wäre. Ich war deshalb bei der Erbauung meiner ersten Maschine gar nicht verlegen, und daß ich es auch nicht nöthig hatte zu seyn, erwies sich, als ich die Maschine zum Ersten mal anließ, weil sie im ersten Augenblick ging, welches der jetzt noch lebende Geschworne, Herr Engelhard der dabei gegenwärtig war wird bezeugen können.
Soweit Dinnendahl’s Selbstzeugnis (ohne Datum, fragmentarisch). Zu Jacoby und der Gutehoffnungshütte siehe [1758: Die St. Antony Hütte - Wiege der Ruhrindustrie]. Der hier von Dinnendahl arg geschmähte Carl Friedrich Bückling hatte entscheidenden Anteil an der ersten deutschen Dampfmaschine, dazu siehe [1778: Preussische Beamte machen eine »Studienreise« zu Watt’s Maschinen] und vor allem [1785: Die erste deutsche Dampfmaschine in Hettstedt]. Was Dinnendahl hier verschwieg (oder nicht wußte): Bückling hatte seinerzeit den Auftrag, eine Maschine Watt’scher Bauart zu errichten - also eine im Vergleich zur atmosphärischen Maschine deutliche kompliziertere Aufgabe.
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1807 baute Dinnendahl dann eine weitere Dampfmaschine für die Zeche Sälzer & Neuack. Dabei handelte es sich dann um eine Maschine nach Watt’scher Bauart. Es ist möglich, dass Dinnendahl’s Skizze in Bild @fig:1804-2 genau diese Maschine zeigt.
1804: Arthur Woolf erhält ein Patent auf einen Kessel und eine Zwei-Zylinder-Verbund-Maschine
Zwei Zylinder - das versuchte schon 1781 zu Watt’s Lebzeiten Jonathan Hornblower, der sich wie Vater und Söhne in Cornwall mit der Errichtung von Newcomen-Maschinen befasste, siehe [1753: Josiah Hornblower nimmt die erste Dampfmaschine Amerikas in Betrieb]. James Watt sah darin durchaus eine Bedrohung. Dickinson schrieb 7:
Watt was »much vexed« and called the Hornblower family hard names such as »Horners«, »Trumpeters« and »horned imps of Satan« …
Watt war »sehr irritiert« und benannte die Hornblower Familie mit heftigen Namen wie »Gehörnte«, »Trompeter« und »gehörnte Teufelchen des Satans« …
Watt klingt in seinen Briefen sonst immer sehr sachlich, daher sind solche Ausdrücke wirklich bemerkenswert. Da Hornblower mit der Benutzung eines Kondensators gegen Watt’s Patent verstieß, wurde mit Klage gedroht. Allerdings war die Maschine wohl nicht sonderlich leistungsfähig, so dass das nicht weiter verfolgt wurde. Eine zweite Maschine wurde 1790 gebaut, wieder gab es Auseinandersetzungen. Dickinson bringt es auf den Punkt:
The truth of the matter is that with the low boiler pressure then available it was an unnecessary complication to have two cylinders, and consequently the two proved less economical than a single one. Hornblower applied to Parliament in 1795 for an extension of his patent; Boulton and Watt opposed the bill by vigorously lobbying and he failed to get an extension; the bill was thrown out and nothing more was heard of the engine.
In Wahrheit ist es so, dass bei dem niedrigen Dampfdruck, der damals verfügbar war, zwei Zylinder eine unnötige Komplikation waren, so dass zwei unwirtschaftlicher waren als einer. Hornblower beantragte 1795 beim Parlament eine Verlängerung seines Patentes; Boulton und Watt wehrten sich mit intensiver Lobbyarbeit dagegen; die Verlängerung wurde nicht gewährt und man hörte danach nichts mehr von der Maschine.
Nach der Jahrhundertwende - Watt’s Patent war erloschen - gab es dann zwei Richtungen: Zum einen Kondensationsmaschinen, neben den großen Balanciermaschinen auch zunehmend kleinere, zum anderen Trevithick’s Puffer ohne Kondensator, die sog. »Hochdruckmaschinen«.
Ein neuer Anstoß in Sachen Verbundmaschine kam dann von Arthur Woolf (1766-1837). Er stammte wie der wenige Jahre jüngere Trevithick aus Cornwall und hatte als Maschinenbauer u.a. bei Joseph Bramah, siehe [1795: Joseph Bramah erhält ein Patent für eine hydraulische Presse] gearbeitet 8.
1804 bekam Woolf die Patente No. 2726 und 2772. Patentgegenstand war u.a. eine Maschine mit zwei Zylindern, einem herkömmlichen großen und einem kleinen, sowie ein Wasserrohrkessel. Wie genau dieser im Patent aussah muß offen bleiben. Tredgold beschrieb 1827 drei Varianten von Woolf’s Kesseln 9, die erste zeigt Hills 10, die dritte ist Gegenstand des Modells in Bild @fig:1804-3.
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Alle diese Kessel bestanden aus Gußeisen. Da es keinerlei Möglichkeiten gab, das Speisewasser zu behandeln, waren Ablagerungen im Kessel unvermeidlich und umso komplizierter die Konstruktion war, desto aufwendiger war auch eine manuelle Reinigung. Vielleicht war diese auch nur eingeschränkt möglich. Dann wiederum dürften unterschiedliche Temperaturen zu Rissen geführt haben - was vermutlich schon bei ganz neuem Kessel eine reale Gefahr war.
Aber zunächst war Woolf’s Kesselkonstruktion der Versuch, einen höheren Dampfdruck zu erzeugen als bis dato üblich. Noch war die Bemessung der Zylinder in ihrem Verhältnis zueinander unklar, aber im Jahre 1811 scheint Woolf sich seiner Sache sicher gewesen zu sein. Im Mai erschien ein Inserat in einer Zeitung 11:
This engine is now brought to such a high degree of perfection as to require not more than one-third part of the Fuel employed in working engines on Messrs Boulton 85 Watt’s construction … The Patentee engages to warrant a saving of at least one-half of the usual quantity of coals; and as a further inducement for their adoption, agrees to allow those who shall employ his Patent Engine, one half of the actual saving in fuel.
Die Maschine ist nun zu einem solchen Grad an Perfektion gebracht worden dass sie nicht mehr als 1/3 des Brennstoffes einer Maschine der Herren Boulton verbraucht. … Der Patentinhaber garantiert die Einsparung von wenigsten der Hälfte der üblichen Menge an Kohlen; als weiteren Anreiz für die Einführung bietet er denen, die seine Patent-Maschine einführen, die Hälfte der tatsächlichen Einsparung des Brennstoffs an.
Woolf hatte einen Kompagnon Humphrey Edwards, auf den noch einzugehen sein wird. Diese Partnerschaft zerbrach im gleichen Jahr 1811. Es sind dann wohl Pumpmaschinen in Cornwall ausgeführt worden. Hills nennt Leistungswerte für 1813-1816, siehe auch [1811: Lean’s Engine Reporter erscheint zum erstenmal]. Es scheint jedoch, als wenn die guten Werte nicht dauerhaft erreicht werden konnten. Gründe waren wohl neben den schon angesprochenen Rissen in den Kesseln auch - wieder einmal - die Kolbenpackungen, vielleicht auch der Umstand, dass die Woolf-Maschine komplizierter als die Watt’sche Maschine war 12.
Aber es kam noch zu einem letzten »show down«. John Taylor (1779-1863) war ein Unternehmer, der in etlichen Bereichen tätig war, siehe [1825: Taylor & Martineau bauen die ersten »richtigen liegenden Maschinen«], vor allem in der Erzgewinnung. Er hatte Arthur Woolf 1818 als Ingenieur angestellt. 1823 setzte dieser das sog. »double beat drop valve« ein, welches angeblich Jonathan Hornblower zwar beschrieben, aber nicht benutzt hatte. Woolf verbesserte kontinuierlich die Maschinen, die ihm unterstanden, war aber immer der Ansicht, dass seine Compound-Maschine die bessere Konstruktion sei. Taylor bestellte dann 1824 für die Mine »Wheal Alfred« zwei vergleichbare Maschinen, eine herkömmliche Einzylinder-Maschine mit einem Cornwall-Kessel siehe [1812: Richard Trevithick liefert eine Maschine mit Cornish Boiler aus] und eine Woolf’sche Zweizylinder-Verbundmaschine mit Woolf’s Kessel. Beide Maschinen waren ähnlich leistungsfähig. Als dann auch der Woolf’sche Kessel schadhaft wurde, war dies der Schlußpunkt für die Woolf’sche Konstruktion in England.
Aber da war ja noch Humphrey Edwards. Nachdem die Partnerschaft mit Woolf zerbrochen war, gelang es ihm 1815 ein französisches Patent zu erhalten. Zunächst wurden Maschinen und Kessel zwar noch in England hergestellt, dann aber auch in Frankreich.
1828 erschien im »Mechanics Magazine« ein Bericht über die französischen Fortschritte bei der Herstellung von Dampfmaschinen 13. Edwards (der mittlerweile nach Frankreich ausgewandert war) arbeitete danach für Perier & Co. 14. Mit 220 französischen und deutschen Arbeitern habe man 40 Maschinen gebaut. Besonders erwähnt werden zwei Woolf’sche Maschinen, eine davon mit 80 PS für ein Walzgerüst bei Paris, die andere mit 200 PS als Fördermaschine für ein Bergwerk. Es wird der Eindruck erweckt, als wenn die Erzeugnisse zwar teurer seien als die in England hergestellten, dass aber
at least they are not much inferior in workmanship;
immerhin sind sie nicht weit von der handwerklichen Ausführung [entfernt];
Der Autor beleuchtet dann noch einen ganz anderen Eindruck seines Besuches (er hatte auch eine andere Fabrik besucht, in der hauptsächlich englische Arbeiter beschäftigt waren). Ich möchte diese Zeilen dem Leser nicht vorenthalten, umso weniger als dass ich sehr ähnliches bei Friedrich Harkort gelesen habe:
It may be here remarked, that the English workman is far from being of the same value in France as he is in his own country! The temptation to indulge in drinking, from the cheapness of wine and spirits, and the impression that his services cannot be dispensed with by his employers, render him so far intractable, that there is a small danger that establishments, dependent on English workmen, will long subsist in France!
Es darf hier noch angemerkt werden, dass der englische Arbeiter, der in Frankreich arbeitet, bei weitem nicht den gleichen Wert hat, als wenn er in seiner Heimat ist. Die Versuchung, sich dem Trunke hinzugeben, da Wein und Schnaps so billig sind, und der Eindruck, der Arbeitgeber könne seine Dienste nicht entbehren, führen dazu, dass er renitent wird. Daher können sich die Betriebe, die auf englische Arbeiter angewiesen sind, vielleicht nicht lange in Frankreich halten.
Dickinson nennt Fabrikationszahlen: 100 Maschinen seien aus England bezogen worden, 200 bei Perier gebaut 15. Dienigen Leser, die nun Einspruch erheben und auf den problematischen Kessel verweisen: 1825 ersetzte Edwards das Gusseisen durch Schmiedeisen bei ansonsten gleicher Konstruktion. Lt. Dickinson kam dieser Kessel um 1850 wieder nach England zurück, dann unter der Bezeichnung »French Boiler» oder auch »Elephant Boiler« 16.
{#fig:1804-4 width=15cm}
Das Bild @fig:1804-4 stammt aus einem mehrbändigen Werk eines französischen Autors zum Thema Bergbau.
Stand: 6.11.2018
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Z.B. Youtube IronbridgeMuseums: Trevithick - The World’s First Locomotive ↩
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a.a.O. S. 266 f. ↩
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a.a.O. S. 36 f. ↩
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Hills, a.a.O. S. 127 Fig. 28 ↩
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Hills, a.a.O. S. 107 ↩
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Hills, a.a.O. S. 108 ↩
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Mechanics Magazine, 1828, Vol. XI, S. 183 ↩
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»Les Frères Périer« hatten schon früh, vermutlich 1777, versucht, an eine Boulton & Watt Maschine zu gelangen. Sie hatten dazu John Wilkinson aufgefordert, ihnen heimlich eine Maschine zu bauen. Wilkinson war darauf nicht eingegangen. 1781 kauften sie dann eine Maschine bei Boulton & Watt und pumpten damit Wasser aus der Seine. Dann bauten sie diese Maschine nach, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Dickinson, 1934, S 98 f. sowie Graces Guide: Perier (France) Abgerufen 6.11.2018 ↩
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Dickinson, a.a.O. S. 100 ↩
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Dickinson, a.a.O. S. 127 ↩